Das LRZ bekam von der EuroHPC JU den Zuschlag für einen von sechs europäischen Quantencomputern: Was bedeutet das für das LRZ?
Laura Schulz: Dies zeigt einmal mehr die führende Rolle des LRZ, wenn es darum geht, Quantentechnologien in den Forschungsalltag zu bringen und die Integration von Quanten- in das Sueprcomputing - kurz HPCQC - zu ermöglichen. Die Ansiedlung des Quanten-Computersystems hilft uns außerdem dabei, Dienstleistungen für die Nutzer weiterzuentwickeln, und ist ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer nächsten Generation von beschleunigten High Performance Computing – oder HPC – Systemen.
Wie wird das Euro-Q-System technisch ausgelegt sein?
Prof. Dr. Martin Schulz: Die genauen technischen Spezifikationen werden im Rahmen des Beschaffungsprozesses, der von der EuroHPC JU durchgeführt wird, noch festgelegt. Wir planen jedoch eine Reihe von Quantensystemen mit supraleitender Technologie, die schließlich bis zu 100 Qubits umfassen werden. Außerdem werden wir eine Quantum Processing Unit direkt in das geplante Exascale-System mit dem Codenamen ExamMUC, also den nächsten Supercomputer für das LRZ, integrieren. Dafür werden wir die Steuerelektronik für den Quantencomputer direkt mit den ExaMUC-Rechenknoten verbinden, um niedrigste Latenzen zu erreichen und damit eng gekoppelte hybride HPCQC-Anwendungen zu ermöglichen.
Welche Herausforderungen erwarten Sie?
M. Schulz: Mit der Integration von Quantensystemen in High Performance Computer und HPC-Workflows betreten wir Neuland. Quantensysteme sind ganz anders aufgebaut und werden anders betrieben, was zu einigen Herausforderungen führt – von den Konstruktionen bis zur Integration einer Steuerung, von der Systemsoftware bis zu den Programmiermodellen. Letztendlich wollen und sollten wir Quantencomputer installieren, mit denen Nutzer:innen auch arbeiten können. Die wenigsten von ihnen werden Expert:innen in Quantenphysik sein, sondern sich vor allem in ihren jeweiligen Fach- und Anwendungsdisziplinen auskennen. Außerdem sind die Systeme Q-Exa und Euro-Q-Exa explizit als Produktions- und nicht als einmalige Experimentalsysteme gedacht. Daher werden wir uns auch der Herausforderung stellen, solche Systeme rund um die Uhr in einem stabilen Multi-User-Modus zu betreiben.
Das LRZ ist an 11 Forschungsprojekten zu Quantencomputern und deren Integration in HPC beteiligt: Welche sind für die Entwicklung von Euro-Q-Exa wichtig und warum?
L. Schulz: Das LRZ-Forschungsportfolio im Bereich Quantencomputer ist als Reihe von Projekten angelegt, die ineinandergreifen. So können wir frühzeitig Erfahrungen sammeln, Systemsoftware und Kompilationsketten entwickeln, praktisch an der Integration arbeiten und einen sicheren, stabilen Betrieb aufbauen. Die Verschränkung der Projekte und die Arbeit mit unterschiedlichen Partnern an ihren Zielen ist die Voraussetzung dafür, dass das LRZ solche erfolgreichen Projekte wie Euro-Q-Exa unterstützen kann und überhaupt machbar sind.
Wie ist der Zwischenstand dieser Projekte gibt es schon erste Ergebnisse?
L. Schulz: Die meisten Projekte starteten vor etwa einem Jahr und befinden sich noch in der Aufbauphase. Dafür wurde bereits viel in die Infrastruktur aufgebaut, vor allem im LRZ Quantum Integration Centre, QIC, das damit zu einem der weltweit führenden Labore für Quantencomputing und HPCQC-Integration geworden ist. Darüber hinaus haben wir auch erste Paper und Veröffentlichungen vorbereitet, etwa für den Quantum Software Workshop auf der SC22 in Dallas am 13. November2022.
Ganz praktisch: Wie und wo testen Sie Schnittstellen, Algorithmen, Schaltungen für das neue System?
M. Schulz: Am Anfang testen wir Schnittstellen und Algorithmen mit Hilfe von hochentwickelten Simulatoren, vom kleinen Maßstab auf Laptops bis hin zu Großsystemen wie der Quantum Learning Machine von Atos und anderen Simulatoren auf dem LRZ-Supercomputer SuperMUC-NG.
L. Schulz: In einem nächsten Schritt werden wir noch in diesem Jahr und Anfang 2023 die ersten Systeme für Forschung und Entwicklung in das QIC einbringen. Sie dienen dann als Ziele für die Softwareentwicklung.
Bis wann wird Euro-Q-Exa einsatzbereit sein?
L. Schulz: Statt der Installation eines einzelnen Systems, ist Euro-Q-Exa ist eher ein Programm zur Entwicklung gleich mehrerer Systeme. Erste Arbeiten dazu laufen bereits. Ein wichtiger Programmpunkt ist, Forschenden einen Zugang zu realen Systemen zu eröffnen. Das erste System sollte bayerischen, deutschen und europäischen Anwender:innen Ende 2023 bis Anfang 2024 zur Verfügung stehen.